Bewegungs- und Gesundheitsförderung Nr. 24 / März 2025 BEWEGUNGSMEDIZIN Fachthema: Muskeldysmorphie Aus der Physiotherapie: Status quo und Vorschläge für eine bessere Zusammenarbeit SFGV – Aktuell: Vorschau auf den Gesundheits- Tag 2025 – jetzt anmelden! Schweizweit trainieren: Kostenloses Gasttraining an 300 zertifizierten Standorten!#letsmoveforabetterworld Mehr entdecken CARDIO KRAFT GLEICHGEWICHT BEWEGLICHKEIT KÖRPERZUSAMMENSETZUNG GEIST OPTIMIEREN SIE IHRE ARBEITSABLÄUFE UND MACHEN SIE PATIENTEN ZU KUNDEN. FÜR IHR UNTERNEHMEN: HERVORRAGENDE ERGEBNISSE – LANGFRISTIGE GESÜNDERE VERHALTENSWEISEN – STETIGE FORTSCHRITTE FÜR IHRE KUNDEN: Technogym Checkup, das umfassendste KI-gestützte Tool für die universelle Bewertung. Es kombiniert Messungen zu Körperzusammensetzung, Beweglichkeit, Gleichgewicht und geistigen Fähigkeiten, um das Wellness-Alter Ihrer Kunden zu berechnen und unterstützt Sie mit dem Technogym AI Coach dabei, ihnen die ideale Behandlung zukommen zu lassen. TECHNOGYM CHECKUP WELLNESS AGE™ ASSESSMENT ANZEIGEInhalt Inserate Claude Ammann, c.ammann@sfgv.ch, 079 478 12 63 Urs Rüegsegger, u.ruegsegger@sfgv.ch, 079 743 89 58 Roland Steiner, r.steiner@sfgv.ch, 043 388 41 44 Koordination Joerg Kressig Auflage 3600 Exemplare Korrektorat / Lektorat Ursula Thüler «Bewegungsmedizin» Die Fachzeitschrift mit Brancheninformationen für Einzelunternehmen der Fitness- und Bewegungsbranche Herausgeber Schweizerischer Fitness- und Gesundheitscenter Verband SFGV Arbeitgeberverband für Einzel-Fitnesscenter-Unternehmungen Geschäftsstelle, 3000 Bern Redaktion Claude Ammann, Anya Aubert, Irene Berger, Kilian Käppeli, Urs Rüegsegger, Roland Steiner, Thomas Tholey Chefredaktion André Tummer Produktion DIVERSUM Verlag Redaktionsadresse Schweizerischer Fitness- und Gesundheitscenter Verband SFGV Geschäftsstelle, 3000 Bern – a.tummer@sfgv.ch, Telefon 0848 893 802 Editorial 5 Fachliche Informationen Bewegungs- und Gesundheitsförderung Muskeldysmorphie 6 Erfolgreiche Umsetzung der SFGV-Tools «S Fit Kerzers» – Ihr Gesundheitszentrum für mehr Wohlbefinden 16 Das SFGV-Werbetool «Medikamentenschachtel» 18 Berufsbild: Aus- und Weiterbildung / Bewegungs- und Gesundheitsförderung Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung 20 Besuch bei Seraina Schönbächler 22 Interview mit SwissSkills-Athleten – Teil 1 26 Aus der Physiotherapie Die Physiotherapie sollte nicht an der Therapieliege enden! 32 SFGV – Aktuell Wahl von Senta Frei in den Vorstand des SFGV 38 GesundheitsTag in Bern: Ein Event für Gesundheit und Innovation 42 75. gewerbliche Winterkonferenz des SGV in Klosters – mit dabei der SFGV 44 Personalisieren Sie das Magazin «GESUND UND FIT» 46 SFGV – Fitness-Guide und Jobplattform Im Interview mit Mike Ruhland vom «Just Fit» in Lenzburg AG 50 Buchtipp Schnelles Denken – langsames Denken 52 Ganz persönlich Im Gespräch mit Roman Bader in der «HALLE 41» in Kloten 54 Die Seiten unserer Partner 56 SFGV im Überblick Neue Mitglieder 72 Organisationsstruktur und Dienstleistungen des SFGV 74 Design / Prepresse Astrid AffolterAN EXPERIENCE FOR THE SENSES | matrixfi tness.eu Johnson Health Tech. GmbH | Europaallee 51 | D-50226 Frechen | Tel: +49 (0)2234 9997 100 Johnson Health Tech. (Schweiz) GmbH | Riedthofstr. 214 | CH-8105 Regensdorf | Tel: +41 (0) 44 843 30 30 Zweigniederlassung Österreich | Mariahilfer Straße 123/3 | A-1060 Wien | Tel:+43 (0) 664 23 506 97 Bewegungsmedizin – Nr. 24 / März 2025 ANZEIGELiebe Leserin, lieber Leser Das berühmte Zitat von Charles Darwin, dem Vater der Evolu- tionstheorie, kennen wohl die meisten Menschen. Leider ist es je- doch auch eine sehr häufig missverstandene Aussage, denn im englischen Sprachgebrauch bedeutet «to fit» so viel wie «passend», nicht «körperlich fit», wie wir es oft verstehen. Darwin fand heraus, dass diejenigen Spezies überlebten, die sich am besten an die sich ändernden Umweltbedingungen angepasst hatten und revolutionierte damit das zu seiner Zeit vorherrschende Weltbild. «Survival of the Fittest» gilt auf die heutige Zeit bezogen immer noch, nur haben sich die Umweltbedingungen drastisch verändert. Die Bedrohungen in der modernen Welt sind Bewe- gungsmangel, Überernährung und chronischer Stress. Bildlich gesprochen werden gemäss Darwin diejenigen auf der Strecke bleiben, die nicht gelernt haben mit diesen Herausforderungen umzugehen. Es geht also per Definition nicht um körperliche Höchstleistung, sondern um den gesunden Lebensstil, der dauer- haft Tag für Tag gelebt wird. Genau da liegt der Knackpunkt: Viele Menschen schaffen es nicht, Training, Ernährung und Stressmanagement zu ihrer GEWOHNHEIT zu machen. Sie sind mal kurz motiviert, hören dann aber wieder auf – wir kennen dieses Phänomen nur zu gut in unserer Branche. Eine von der Strava-App durchgeführte Studie, die auf über 800 Millionen von Nutzern aufgezeichneten Aktivitäten basiert, sagt voraus, dass die meisten Neujahrsvorsätze am 19. Januar auf- gegeben werden. Strava nennt dies den «Quitters Day». Deshalb ist es besser, Gewohnheiten zu schaffen als Vorsätze zu fassen. Um Gewohnheiten zu ändern, braucht es Coaching, Diszi- plin und glasklare Ziele. Das «Warum» hinter dem Vorhaben ist enorm wichtig, denn wer sein «Warum» verliert, wird sehr schnell seinen Weg verlieren. Vielleicht regen Sie diese Gedanken an, Ihre Arbeit mit Ih- ren Kundinnen und Kunden zu überprüfen, denn obwohl wir nach wie vor grossen Zulauf in unsere Center haben, ist die Abbrecher- quote bezogen auf den gesundheitsorientierten Wert unserer Dienstleistungen immer noch zu hoch. Viel Spass bei der Lektüre der 24. Ausgabe von «BEWEGUNGSMEDIZIN»! André Tummer Chefredaktor Editorial «Survival of the Fittest» Bewegungsmedizin – Nr. 24 / März 2025 5Muskeldysmorphie Fachliche Informationen Bewegungs- und Gesundheitsförderung Bewegungsmedizin – Nr. 24 / März 2025 6Im oben genannten Artikel des «Sonntagsblicks» spricht der stellvertretende Chefredaktor von einer «aufgepumpten Männlichkeit». Seiner Aussage nach sind die Schweizer Fit- nesscenter voll von jungen Männern, die sich für den per- fekten Körper quälen. «Pum- pen» sei zur Jugendbewegung geworden. Zitiert wird auch der Psychotherapeut Roland Müller aus Basel, der behauptet, dass «je nach Fitnesscenter wohl ungefähr 20 Prozent der Trainierenden eine Muskeldysmorphie haben». Mit Verlaub, bei den derzeitigen geringen Studiendaten zu diesem Thema ist das eine sehr vage Behauptung. Genaue Zahlen zur Häufigkeitsrate der Muskeldsymorphie in der Gesamt- population fehlen. Schätzungen zufolge sind es 1–7 Prozent der Gesamtbevölkerung, allerdings ist dieses Phänomen mit bis zu 25–54 Prozent in Risikogruppen wie Bodybuildern oder Leis- tungssportlern weit verbreitet. So konnten HALLSWORTH et al. zeigen, dass Bodybuilder mit ihrem Körper unzufriedener sind als ebenfalls mit Gewichten trainierende andere Sportler. Dies wurde unter anderem damit er- klärt, dass Bodybuilder primär der Optik und nicht der Leistung wegen trainieren und somit tendenziell einer grösseren Selbst- kritik bezüglich ihres Erscheinungsbildes ausgesetzt sind. Jedes Center hat eine gewisse Anzahl junger Kundinnen und Kunden, auch wenn Discountanbieter und Center mit Figur- und Lifestyle-Positionierung sicherlich mehr Jugendliche und junge Erwachsene anziehen als gesundheitsorientierte Betriebe, die sich eher auf ältere Zielgruppen spezialisiert haben. Generell ist auch nichts Schlechtes daran, wenn junge Menschen sich ak- tiv fit und gesund halten wollen. Ganz im Gegenteil: Die immer schlechter werdenden motorischen Fähigkeiten der jungen Gene- ration, die weitverbreiteten Haltungsprobleme infolge körperli- cher Inaktivität verlangen nach entsprechendem Muskeltraining. Die Frage ist deshalb nicht, ob Krafttraining für Jugendliche sinn- voll ist oder nicht, sondern wie Krafttraining in dieser Altersgrup- pe durchgeführt werden sollte. Ich persönlich glaube, dass gesundheitsorientierte Fitness- center hier eine besondere Rolle spielen können, diese aber bisher kaum wahrnehmen. Dazu später mehr. Schauen wir zunächst einmal auf die Definition des Be- griffs Muskeldysphormie. Im DSM 5 (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders), dem dominierenden psychiatrischen Klassifikationssystem in den USA, wird die Muskeldsymorphie der Gruppe der Zwangsspektrumsstörungen zugeordnet. In der 5. Ausgabe des DSM wurde die Muskeldysmorphie also erstmals in die Klassifikation psychischer Erkrankungen aufgenommen. Muskeldsymorphie, umgangssprachlich auch als «Muskel- sucht» bezeichnet, ist eine Unterart der körperdsymorphen Störung (KDS), der gestörten Wahrnehmung des eigenen Körpers. Sie wurde erstmals in den 90er-Jahren als männliches Pendant Am 5. Januar veröffentlichte der «Sonntagsblick» einen Artikel mit dem Titel «Gym Boys» und wies auf das Thema Muskelsucht bei jungen Männern hin. Die Psychologie nennt dieses Phänomen Muskeldysmorphie – eine Störung des Selbstbildes mit potenziell massiven gesundheitlichen und psychosozialen Folgen. André Tummer Bewegungsmedizin – Nr. 24 / März 2025 7Fachliche Informationen Bewegungs- und Gesundheitsförderung zur Anorexie beschrieben. Betroffene empfinden sich trotz aus- geprägter Muskulatur als zu wenig muskulös. Sie trainieren ex- zessiv, teils zwanghaft, und achten extrem auf eine Ernährung, die dem Muskelzuwachs zuträglich ist. Es bestehen Ähnlichkeiten zu substanzabhängigen Süchten oder auch zu Essstörungen. Die starke Dominanz der eigenen Körperlichkeit kann berufliche und soziale Fähigkeiten massiv einschränken. Betroffene haben oftmals einen verdeckten, aber hohen Leidensdruck. Symptome Typische Symptome einer Muskeldsymorphie sind: – hohe Unzufriedenheit mit dem eigenen Körperbild – andauernde Beschäftigung mit den als unzureichend trainiert empfundenen Körperbereichen, die anderen Personen jedoch nicht auffällig erscheinen – wiederkehrende Verhaltensweisen wie ständiges Begutachten des eigenen Körpers im Spiegel, oder mentale Handlungen, zum Beispiel andauernder Vergleich mit andern – ständiges Gedankenkreisen um Trainingsplan und Diäten – Stress und Druck aufgrund der andauernden Beschäftigung mit dem Körper – stark verzerrte Selbstwahrnehmung in Bezug auf das eigene Körperbild – Scham aufgrund des als defizitär empfundenen Körpers – Einschränkungen im sozialen, familiären und beruflichen Bereich – Einnahme von gesundheitsschädigenden, leistungssteigernden Präparaten Gemäss dem bio-psycho-sozialen Krankheitsmodell werden in der Literatur folgende Faktoren als die Krankheitsentstehung be- günstigend angegeben: Biologische Risikofaktoren: – neurokognitive Veränderungen vor allen im exekutiven Bereich, also in den Funktionen, die eingesetzt werden, wenn ein automatisiertes Handeln zur Problemlösung nicht mehr ausreicht Das Handy ist allgegenwärtig – und stört. Nicht nur die übrigen Trainierenden, sondern auch die Effektivität des Trainings. Bewegungsmedizin – Nr. 24 / März 2025 8 – Ungleichgewichte im Neurotransmitterhaushalt (Serotonin) – genetische Prädispositionen (beispielsweise Zwangs- erkrankungen in der Familie) Soziale Risikofaktoren: – Rollenbild des Mannes (unangreifbar und stark) – Einfluss von Social Media – Verfügbarkeit von Präparaten – Relevanz von Schönheit, Muskulosität und Aussehen Neben den medialen Auswirkungen auf die Körperzufriedenheit konnten in Studien ebenfalls wichtige Einflüsse aus dem sozialen Umfeld von Jugendlichen aufgezeigt werden. Hierbei seien be- sonders Freunde und Familienmitglieder erwähnt, die zur Veran- kerung des vorherrschenden Schönheitsideals beitragen. Psychische Risikofaktoren: – mangelndes Selbstwertgefühl – den eigenen Körper als defizitär und unattraktiv betrachten – Neigung zur Selbstoptimierung – hoher Perfektionismus – hohe Sensibilität gegenüber Zurückweisung – Mobbing- und Ablehnungserfahrung Soweit zu dem, was die derzeitige Literatur hergibt. Wie sieht es aber in der Praxis aus? Was können wir in den Trainingscentern beobachten? Wenn ich im Folgenden von «den Jugendlichen» spreche, soll dies nicht als Verallgemeinerung verstanden wer- den. Natürlich treffen die Aussagen auch nicht auf alle im selben Masse zu, sondern sollen einen Durchschnitt der zu beobachten- den Situationen in der Praxis wiedergeben. Meiner Erfahrung nach stossen wir auf die folgenden Schwierigkeiten: Problem Nr. 1 Die Motivation der Jugendlichen ist nicht der Sport bzw. die Leis- tung selbst, wie es in anderen Sportarten der Fall wäre, sondern sie streben ein völlig überzogenes, idealisiertes Körperbild an. Aussehen steht über der Leistung. Es gilt nicht schneller zu ren- nen, höher zu springen oder weiter zu werfen – also ein objektiv messbares und vergleichbares Resultat zu erbringen – sondern ein durch Social Media Influencer hochstilisiertes muskulöses Erscheinungsbild zu erreichen. Problem Nr. 2 Jugendliche entziehen sich oft dem Coaching durch das Fach- personal im Center und trainieren lieber nach Fitnessprogram- men aus dem Internet. Zudem trainieren sie selten allein, sondern zu zweit oder in kleinen Gruppen. Dadurch hat das Trainingsper- sonal häufig geringe Chancen, ein zielgerichtetes Coaching anzu- bringen. Als Folge findet kein Coaching mehr statt, «weil sie sich ja eh nichts sagen lassen». Problem Nr. 3 Häufig fehlen die Geduld und die Beharrlichkeit, die ein langes und solides Aufbautraining verlangt. Belastungen werden un- systematisch gesteigert, ohne Rücksicht auf erprobte Trainings- prinzipien. Fitnessinfluencer überschwemmen die Social Media Kanäle mit teils fragwürdigen Tricks und Tipps. 9 Bewegungsmedizin – Nr. 24 / März 2025Next >